Tango-Argentino

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Eine kleine Geschichtseinheit zum Tango Argentino

Tango Argentino - Man sieht und hört ihn an fast jeder Ecke in Buenos Aires: Sei es ein eng umschlungen tanzendes Paar auf dem Tango Festival in Boedo oder ein wehleidiger Klang aus dem Fenster eines vorbeirauschenden Taxis.

Leidenschaftlicher Tango auf der Avenida Boedo Tango Ein Tango-Festival in Boedo
Tango-Festival

Viele glauben, dass der Tango in den 1880er Jahren in Buenos Aires entstanden ist. Damals strömten Massen von europäischen Einwanderern in die Stadt am Rio de la Plata, um auf der anderen Seite des Ozeans ein neues Leben zu beginnen. Unter ihnen waren viele Männer der Unterschicht, die sich nach ihren zurückgelassenen Frauen sehnten. In den Bars und Bordellen versuchten sie, ihre Einsamkeit zu vergessen und tanzten mit den Prostituierten und Kellnerinnen, aber vor allem miteinander. Ursprünglich war der Tango also ein von Männern der Unterschicht getanzter Tanz, geprägt von Leidenschaft, Fernweh und Verzweiflung.

Viele Künstler greifen das Motiv des Tangos in ihren Graffitis auf. Tango-Graffiti
Graffiti

Bald spielten dazu kleine Musikgruppen, die von Liedern der Pampa, aus Spanien, Italien und von der afrikanischen “Candombe”-Trommel beeinflusst waren. In dieser Zeit wurde auch das “Bandoneon” eingeführt: Es ist eine Art kleines Akkordeon, welches noch heute einen wichtigen Platz in Tango-Orchestern besitzt. Es war außerdem der Beginn des Tangogesangs: Die Tangosänger sangen voller Leidenschaft von dem aufgegebenen Leben, von zurückgelassenen Frauen und Müttern und von den Erlebnissen in der neuen Stadt.

Die Oberschicht von Buenos Aires lehnte den damals als “vulgär” geltenden Tanz ab. Nur durch ein paar Söhne, die ihn doch lernten, führte der Weg des Tangos nach Paris. Dort wurde er schick und bekam einen eleganten Touch. Im Jahre 1913, das oftmals als Jahr des Tangos gilt, fand er seinen Weg zurück in seine Geburtsstätte Buenos Aires.

Queer Tango beim Zwischenseminar in Rosario

Seit ich vor vier Monaten nach Buenos Aires gekommen bin, steht bei mir eine Tango-Stunde auf der Wunschliste. Vor etwa einem Monat habe ich dann endlich die Chance bekommen, den berühmten Tanz auszuprobieren. Bei dem Zwischenseminar von kulturweit in Rosario haben wir nämlich gemeinsam eine Tangostunde gemacht. Zwei Lehrer kamen zu uns ins Hostel und haben uns die Grundschritte des Tangos erklärt und gezeigt. Es handelte sich um eine “Queer Tango” Stunde, was bedeutet, dass die Geschlechterrollen frei gewechselt werden können und jeder mit jedem tanzen kann. Es hat richtig Spaß gemacht und ich habe total Lust bekommen, bei weiteren Stunden mehr zu lernen.

Tango-Stunde

Tango im Centro Cultural in Buenos Aires

Vor kurzem bin ich dann endlich hier in Buenos Aires mit einem argentinischen und zwei kolumbianischen Freunden zu einer Tango-Stunde in einem Centro Cultural gegangen.

Tango-Stunde

Die sogenannte Practica (Tango-Stunde) war allerdings ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte… Wir haben keineswegs bestimmte Schrittkombinationen, geschweige denn den Grundschritt, gelernt oder wiederholt. Unser Lehrer hat uns erklärt, dass es zwar einen Grundschritt gibt, der Tango an sich aber immer improvisiert ist. Stattdessen haben wir viele Übungen dazu gemacht, den eigenen Körper zu spüren und auf den Körper des Partners zu hören. Bei einer Übung sollte man sich mit dem Partner Rücken an Rücken stellen und die Augen schließen. Jeweils eine Person sollte Bewegungen vorschlagen (proponer) und dieser Einladung sollte der Partner dann ohne die Augen zu öffnen folgen. Dabei wurden wir sensibilisert, genau auf die Bewegungen des anderen zu achten.

Tango-Stunde

Außerdem haben wir viele Übungen zum Wechseln des Gewichts (cambio del peso) gemacht, wodurch der Partner merkt, was für ein Schritt als nächstes folgen wird. Mir fiel es gar nicht so leicht, den Tanz anzuführen, da man sich genau überlegen muss, auf welchem Fuß das Gewicht sein muss, um den nächsten Schritt zu machen.

Und zum Schluss ist es natürlich super wichtig, den Rücken beim Tango tanzen gerade zu halten. Der Oberkörper bleibt die gesamte Zeit gerade und die Hüften schwingen bei den Schritten auf keinen Fall mit. Ich muss gestehen, dass ich das auf Dauer erstaunlich anstrengend fand.

MILONGA

Tango-Stunde

Anschließend fand noch die Milonga statt, bei der dann richtig getanzt wurde. Es war herrlich, den erfahrenen Paaren und Tänzern zu zu schauen, die mit toller Haltung und Grazie über die Tanzfläche glitten. Ich wurde bei der Beobachtung eines Paares überrascht, als sich die graziöse und schlanke Frau anmutig auf hohen Tanzschuhen drehte und ich sie von vorne sah. Erwartet hatte ich eine junge Frau, doch ich sah das Gesicht einer schätzungsweise knapp 70 oder 80 Jahre alten Frau, die alle Blicke auf sich zog.

Im Laufe des Abends bestätigte sich mir die Aussage, dass man bei der Milonga erst richtig Tango tanzen lernen könne, da man mit verschiedenen Partnern auskommen muss: Mit einigen Tanzpartnern hatte ich das Gefühl, über das Parkett zu schweben und den schwierigen Tanz perfekt zu beherrschen. Doch es funktionierte keineswegs mit allen so gut… Mit einem klappte es einfach mal gar nicht und ich lächelte verlegen, als ich ihm gefühlt zum zehnten Mal auf den Fuß trat…

Später wurde bei der Milonga zur Freude meiner kolumbianischen Freunde auch ein Salsa-Lied gespielt, bei dem sie mit deutlich mehr Enthusiasmus als zuvor auf die Tanzfläche stürmten… Salsa macht mir auch echt viel Spaß und ich möchte nach meinen Ferien unbedingt noch Salsa-Stunden nehmen. Außerdem erinnert mich der Rhythmus von Salsa-Musik an zu Hause. Seitdem ich denken kann, hören wir nämlich abwechselnd dieselben 10 Salsa-CDs jeden Sonntag zum Frühstück. Was soll ich sagen, mein Papa liebt eben seine Gewohnheiten und ich beginne sie aus der Ferne auch mehr zu schätzen.

El Caminito: Sara-Lina und ich im Viertel "La Boca".